Von geweihten Kinderhemden, gesegneten Taschentüchlein und dem Wunsch nach Heilung bei auftretenden Kinderkrankheiten
Die Pfarrkirche der Isnyer Ortschaft Rohrdorf , eine ehemalige Wallfahrtskirche, ist dem Heiligen Remigius geweiht. Dort gibt es seit langer Zeit einen alten religiösen Brauch, der damit zusammenhängt, dass der Kirchenpatron auch als Schutzpatron der Kinder gilt. Die Englische Krankheit, Rachitis genannt, war in früheren Jahrhunderten bei Kindern weit verbreitet. Auch heute werden Kinder oft von tückischen Kinderkrankheiten heimgesucht , sodass besorgte Eltern nicht nur medizinische Hilfe, sondern auch Heilung und Wiedergesundung von „oben“ erbitten. Den folgende Brauch habe ich selbst aus der Zeit meiner beruflichen Tätigkeit in Rohrdorf miterlebt. Bei Nachfragen erzählten mir ältere Einwohner, dass dieser Brauch noch heute durchaus üblich ist. Auch hier kann der Glaube Berge versetzen.
Pfarrkirche St. Remigius |
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Blick zum Hauptaltar |
Weihe der Kinderhemden (schwäbisch „Hemedle“ ) und Taschentücher ( schwäbisch „Taschentüchle“)
Wird ein Kind von einer Krankheit geplagt und trauen die besorgten Eltern nicht der modernen Medizin allein, so bringen sie Kinderhemden (Hemedle) oder Taschentücher (Taschentüchle) dem dortigen Pfarrer, der inzwischen seinen Pfarrsitz in Isny hat, um diese weihen oder segnen zu lassen und den Heiligen Remigius um Hilfe zu bitten. Dafür ist, laut Aussage einer befragten Bewohnerin, unbedingt ein Kirchenbesuch in der Rohrdorfer Pfarrkirche erforderlich, bei dem der Kirchenpatron um Hilfe angefleht wird. Die Gebete dafür sind vorgegeben.
Hemdchen müssen auf die Haut gelegt werden
Die geweihten Hemdchen werden dem erkrankten Kind auf die Brust gelegt oder angezogen. Auch das gesegnete Tuch wird direkt auf die Brust
gelegt, sodass es mit der Haut in Berührung kommt. Des Nachts werden die
geweihten Gegenstände auch unter das Kopfkissen gebreitet.
Die Eltern erkrankter Kinder, die oft von auswärts angereist sind , erhoffen
sich vom Heiligen Remigius Hilfe und Heilung für ihre kranken Kinder. Religiöses Brauchtum in Erinnerung behalten Ich habe Nachforschungen darüber im Internet angestellt und bin zu keinem verwertbaren Ergebnis gekommen. Mir ist wichtig, dass religiöses Brauchtum
auch für spätere Generationen in Erinnerung bleibt, unabhängig davon, ob |
Daher entstammt dieser Bericht nicht einem Buchwissen, sondern ist Teil der Feldforschung bei der älteren Generation von Rohrdorf.
Geschichte der Kirche in zwei Steintafeln neben dem " Tod Mariens" verewigt. (1. Tafel) |
2. Steintafel |
um die Heilung kranker Kinder durch die Vermittlung des Heiligen Remigius
Barmherziger Gott, Du hast ihn bei dir vollendet So bitte ich dich heute Heiliger Remigius, Gott, höre und erhöre mein Gebet |
Hochaltarbild in der Pfarrkirche St. Remigius in Rohrdorf (um 1650) |
Dieses Gebet mit der Bitte um Heilung wurde von den Eltern kranker Kinder gesprochen.
( Der Text wurde aus einem Faltblatt entnommen.
Text: Lorenz Rösch, Druck: Druckerei Pausch 2009)
Remigius wurde 437 geboren und starb um 533. Er stammte aus einer adeligen Familie aus dem heutigen Frankreich. Bereits mit 22 Jahren wurde Remigius Bischof von Reims. Er war ein eifriger Missionar und setzte sich vor allem für die Armen und Kranken ein. Die Taufe des Frankenkönigs Chlodwig und die Ausbreitung des christlichen Glaubens war einer der Höhepunkte seines langen Lebens. Seine Gebeine ruhen heute in der Basilika im französischen Reims.
Remigius und die Pfarrkirche in Rohrdorf Seit 1514 ist Bischof Remigius als Patron der Pfarrkirche in Rohrdorf erwähnt. Bemerkung: Für mich war es eine große Ehre, von der Mesnerin die Reliquie,
wenn auch im gestickten Goldstern verborgen, sehen zu dürfen.
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Stoffreliquie des hl.Remigius Beiliegender Textausschnitt |
Bischof Remigius tauft den Frankenkönig Chlodwig (Deckengemälde im Chorraum) |
Die wertvolle aus Holz geschnitzte Weihnachtskrippe der Pfarrkirche in Rohrdorf (aufgenommen am Fest Hl. Drei Könige 06.01.2014) |
Alter gotischer Flügelaltar: v.l. Wendelin, Aloisius oder Antonius |
Marienaltar: Anna, Maria, Joachim |
Linker Seitenaltar |
Epitaph (Denkmal mit einer Gedenkinschrift) |
Das Denkmal erinnert an den Isnyer Abt, der sich vor der Pest auf den Herrenberg (Adelegg) flüchtete und trotz seiner Flucht in die Einsamkeit an der Pest starb. Geschichtlicher Hintergrund: |
Figuren im linken Chorraum: v.l. Nikolaus, Ulrich, Margareta |
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Der heilige Augustinus im Bischofsgewand in einem Buch lesend, ein Werk des bekannten Allgäuer Bildhauers und Malers Hans Multscher (geb. um 1400 in Leutkirch-Reichenhofen). |